Th. Ottmann (Hrsg.):
Prinzipien des Algorithmenentwurfs


Vorwort

1. Über dieses Buch

Mit diesem Buch sollen neue Wege beschritten werden, und zwar sowohl inhaltlich wie formal.

Das inhaltliche Ziel ist die Aufbereitung einiger grundsätzlich wichtiger und aktueller Themen aus dem Gebiet Algorithmen und Datenstrukturen, also eines Kernbereichs der Informatik-Ausbildung an den Hochschulen. Behandelt werden die wichtigsten, vom Anwendungsgebiet weitgehend unabhängigen Prinzipien des Algorithmenentwurfs, wie Divide-and-Conquer, Dynamisches Programmieren, das Scan-Prinzip u. a. Ferner wollen wir einige Themen in neuer Sicht präsentieren, die aus der Fülle der Einzelresultate der letzten Jahre dadurch herausragen, daß sich in der Gemeinschaft der Informatiker ein gewisser Konsens über ihre grundsätzliche Bedeutung herausgebildet hat. Dazu gehören Randomisierung, Heuristische Suche, Parallelität u.\ a.

Dieses Buch besteht aus insgesamt 11 relativ unabhängig voneinander lesbaren Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren, die so geschrieben sind, daß Studierende der Informatik am Beginn des Hauptstudiums keine Verständnisprobleme haben dürften. Gleichzeitig sollte es für einen einschlägig vorgebildeten Praktiker in der Industrie möglich sein, anhand des hier aufbereiteten Materials das grundsätzlich Wichtige einer Methode zu erkennen und zu beurteilen, ob es sich lohnt, diese Methode zur Lösung seines jeweiligen Anwendungsproblems in Erwägung zu ziehen. Das kann dann natürlich eine gezielte Vertiefung erfordern.

Die gedruckte und papiergebundene Version des Buches liefert nur eine mögliche Form der Präsentation und Sicht auf die behandelten Themen. Jedem Kapitel liegt ein Vortrag zugrunde, der von einem der jeweiligen Verfasser gehalten und nach dem an der Universität Freiburg in den letzten Jahren entwickelten Authoring-on-the-fly-Verfahren (AOF) zu einem multimedialen Dokument weiterverarbeitet wurde. Entstanden ist so ein vernetztes, multimediales Dokument, das statische, also zeitunabhängige Medien, wie die Texte der 11 Aufsätze und die im Vortrag verwendeten Folien (im PostScript- bzw.\ GIF-Format) mit dynamischen, kontinuierlichen Medien, also dem Audiostrom des jeweiligen Vortrags, sowie Animationen und Simulationen verbindet. Daher kann man das entstandene Dokument auch als Ergebnis einer über zwei Jahre durchgeführten Tagung zu einem Rahmenthema auffassen. Wir haben die verschiedenen Teile des multimedialen Dokuments zu einem offenen, auch vom Nutzer, also vom Studenten oder Dozenten, selbst erweiterbaren Ganzen mit Hilfe von heute üblichen Vernetzungswerkzeugen (WWW und Adobe Acrobat) zusammengebunden, auf das über Standard-Netzwerkbrowser zugegriffen werden kann. Benötigt wird allerdings ein am Institut für Informatik entwickelter externer Viewer für die Vortragsaufzeichnungen (AOF-Produkte). Dann kann das hier vorgelegte Material in eine lokal vernetzte, multimediale Lehr- und Lernumgebung integriert werden. Weil die meisten Animations- und Simulationsprogramme unter X-Windows bzw.\ OS/Motif auf UNIX-Plattformen entwickelt wurden, erhält man die volle Funktionalität allerdings nur auf einer solchen Plattform. Weil Studenten üblicherweise keine vernetzten UNIX-Rechner im Privatbesitz haben, wird im Rahmen eines eigenen Projekts auch ein Viewer für die Windows-Plattform entwickelt. Dort sind natürlich die benutzergesteuerten Simulationsprogramme nicht verfügbar. Die in den Rechnervorträgen verwendeten Animationssequenzen liegen aber als QuickTime-Movies vor.

2. Authoring-on-the-fly

Die 11 in diesem Buch enthaltenen Beiträge basieren auf Vorträgen, die über einen Zeitraum von gut zwei Jahren (Februar 1995 bis März 1997) an der Universität Freiburg gehalten, mit Hilfe der MBone-Tools an verschiedene andere Hochschulen übertragen und nach der Authoring-on-the-fly-Methode aufgezeichnet wurden. Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist, aus einem am Rechner gehaltenen Live-Vortrag automatisch oder mit nur sehr geringer Nachbearbeitung ein multimediales Dokument zu erzeugen, das sich räumlich oder zeitlich unabhängig off-line nutzen läßt. Wie ensteht ein solcher, am Rechner gehaltener Vortrag? Zunächst hat jeder Dozent Folien wie üblich vorbereitet, und zwar als farbige PostScript-Dateien mit Hilfe eines üblichen Standardwerkzeuges. Die an diesem Buch beteiligten Dozenten haben dazu Showcase (auf SGI), PowerPoint, XFig, LaTeX/SLITeXbenutzt. Viele Vortragende haben selbstentwickelte oder von anderen übernommene und auf ihre Situation zugeschnittene Animations- und Simulationsprogramme verwendet. Diese wurden auf dem Dozentenrechner ebenso wie auf den während des Vortrags per Multicast zugeschalteten, entfernten Rechnern installiert. Dann wurden die im jeweiligen Vortrag verwendeten Folien in das Whiteboard wb des MBone-Toolsets geladen. wb wurde also als ,,elektronische Tafel`` benutzt. Dies bedeutet, daß die Dozenten auf den Folien einfache Markierungs- und Zeichenoperationen vornehmen konnten, vor- und zurückblättern und wie in einer üblichen Vorlesung vorbereitetes Material kommentieren, Animationen und Simulationen starten und ggf. Bilder oder kurze Videoclips einblenden. Die Vorträge verliefen also recht ähnlich zu einer ganz normalen Vorlesung. Auch Studenten haben bisweilen Zwischenfragen gestellt, insbesondere an den Orten, an die die jeweiligen Vorträge übertragen wurden. Alle Aktionen des jeweiligen Dozenten wurden lokal über einen Großbildprojektor im Hörsaal am Vortragsort Freiburg und mit Hilfe der MBone-Tools vic und vat auch an entfernte Rechner übertragen.

Gleichzeitig wurden der Audiostrom und der Videostrom, also die Sprache und das Bild des Dozenten, digitalisiert und zusammen mit sämtlichen Whiteboardaktionen aufgezeichnet. Der Datenstrom der Aktionen auf dem Whiteboard wurde mit Zeitstempeln für die Synchronisation versehen und automatisch in eine Objekt- und Ereignisliste zerlegt. Die Ereignisliste enthält dabei für jeden Zeitpunkt die Menge der zu diesem Zeitpunkt auf dem Whiteboard angezeigten Objekte. Die so aufgezeichneten Datenströme bezeichnen wir als AOF-Dokument, das von dem externen Viewer eines Hypermedia-Systems, also von Netscape oder von einem anderen Netzwerk-Browser heraus, abgerufen werden kann. Zur Reduktion des Datenstromes haben wir darauf verzichtet, den Videostrom bei anzuzeigen und uns mit einem Standbild des jeweiligen Dozenten begnügt. Dieses Vorgehen wird für den in diesem Buch behandelten Themenkreis durch unsere Erfahrung während der ,,Live-Übertragung`` der Vorträge gerechtfertigt, die zeigt, daß für das Verständnis die Synchronität zwischen Audio- und Whiteboardaktionsstrom entscheidend ist. Das Videobild des Dozenten ist eher sekundär. Allein der Audiostrom erzeugt (bei einer Abtastrate von 16 kHz) ein Datenvolumen von etwa 1 MByte pro Minute. Weil die Whiteboard-Daten symbolisch als Objektlisten und in Vektorgraphikform abgelegt werden, sofern es sich nicht um eingeladene Pixelgraphiken handelt und auch die jeweils verwendeten Animationsprogramme als echte, mit vom jeweiligen Dozenten ausgewählten, festen Eingaben versehene Programmläufe ausgeführt werden, ist das von ihnen erzeugte Datenvolumen vergleichsweise gering.

Man sieht den 11 AOF-Dokumenten, die zu den hier abgedruckten Aufsätzen gehören, ihren Live-Charakter durchaus an. Wir haben nicht versucht, alle inhaltlichen und formalen Fehler zu beseitigen, sondern lediglich die während der Rechnervorträge geführten Diskussionen mit lokalen und externen Zuhörern herausgeschnitten und die Vorträge durch Beseitigen von Sprechpausen etwas kompakter gemacht. Obwohl die beschränkten Möglichkeiten des Whiteboards wb meistens gut genutzt wurden, sieht man den entstandenen AOF-Dokumenten natürlich auch die Mängel und Unzulänglichkeiten dieser ,,elektronischen Tafel`` an, die man nicht den Dozenten anlasten darf. Wir sind dennoch überzeugt, daß die inhaltliche Qualität der Vorträge diese Mängel bei weitem aufwiegt und auch andere Autoren ermuntert, mit verhältnismäßig geringem Aufwand ein Thema als Rechnervortrag aufzubereiten und in ein multimediales Dokument zu verwandeln.

3. Hilfen und Hilfsmittel

An der Entstehung dieses Buches sind zahlreiche Personen beteiligt gewesen, die es den Autoren der hier abgedruckten Aufsätze überhaupt erst ermöglicht haben, sich ganz auf die inhaltliche Aufbereitung des jeweiligen Themas zu konzentrieren. Wir haben gleichzeitig mit der inhaltlichen Aufbereitung auch die Entwicklung verschiedener Werkzeuge (Recorder, Viewer, Editore, ein neues, mächtiges Whiteboard) vorangetrieben, mit dem Ziel, Dozenten eine möglichst komfortable Arbeitsumgebung anbieten zu können. Besondere Anerkennung verdient Christian Bacher, der den ersten Prototyp einer Aufnahme- und Replay-Umgebung auf SGI-Plattform entwickelt hat. Rainer Müller hat die letzte Version zu einer integrierten Gesamtumgebung verknüpft. Jochen Lienhard hat viele XTango-Animationen beigesteuert, die Bernd Zupancic für die PC-Plattform in QuickTime-Movies konvertiert hat. Gabriela Maass hat einen Editor für AOF-Dokumente entwickelt und die meisten Vorträge nacheditiert. Elisabeth Patschke hat mehrere Manuskripte erfaßt. Stefan Schrödl hat die Textbeiträge durchgesehen und in eine einheitliche Form gebracht. Matthias Will hat die mühevolle Arbeit übernommen, die Aufsätze nach PDF zu konvertieren und sie zu einem multimedialen Dokument zu vernetzen. Dazu wurden im wesentlichen die verschiedenen Werkzeuge des Adobe Acrobat-Pakets verwendet.

Finanzielle Unterstützung erhielten wir durch die Beteiligung als Pilotanwender im Rahmen des MeDoc-Projekts (08INF04: ,,Pilotanwender im Vorhaben Entwicklung und Erprobung offener volltext-basierter Informationsdienste für die Informatik``), durch das gemeinsam mit dem Spektrum Verlag durchgeführte BMBF-Projekt ,,Multimediale Aufbereitung des Gebiets Algorithmen und Datenstrukturen`` (08C5825 0) und durch den DFN-Verein im Rahmen des Projekts ,,Entwicklung und Nutzung eines erweiterten Whiteboards für Teleteaching und Authoring-on-the-fly`` (TK 598 VA/T10).

Wir sind uns bewußt, daß das hier vorgelegte Ergebnis nicht perfekt ist, dafür liegt zuwenig Erfahrung in diesem Gelände vor. Es würde uns allen daher sehr helfen, wenn Sie, die Leser und Nutzer dieses multimedialen Gesamtwerkes, uns über Ihre Erfahrung und Wünsche und über Verbesserungsvorschläge informieren würden.

Freiburg, im September 1997 Thomas Ottmann


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